Das Globussyndrom: Wenn der Hals zugeschnürt ist.
In der Januar/Februar 2019 Ausgabe des Schweizer Astrea Apotheke Magazins erschien ein Interview mit Edit Siegfried-Szabo, in dem sie über das Globussyndrom informierte. Den ganzen Artikel können Sie direkt lesen oder hier als PDF herunterladen.
Ein unsichtbarer Kloss
Das medizinisch nicht nachweisbare Gefühl einer Beengung im Halsbereich wird als Globussyndrom bezeichnet. Edit Siegfried-Szabo, die in Basel als Gesangspädagogin und Bewusstseinstrainerin eine eigene Praxis führt, hat befreiende Techniken entwickelt. Von Meta Zweifel.
Frau Siegfried-Szabo*, lässt der Begriff Globus-„Syndrom“ darauf schliessen, dass sich das Beschwerdebild aus mehreren Puzzleteilen zusammensetzt?
Ja, zunächst geht es um eine Verspannung der Kehlkopfmuskulatur und eine Verengung der Zungenpartie. Ferner spielen die Stimm- und die Atemführung eine wichtige Rolle. Als dritter Faktor nehmen Stress und Ängste ganz wesentlich Einfluss. Gelingt es, die inneren Muskelpartien – etwa des Zungenbeins, des Kehldeckels und der Schlundschnürer – in einer speziellen Art von „Physiotherapie“ zu aktivieren, lockert sich diese Muskelpartie. Im Weiteren entspannen sich auch die äussere Muskulatur und der ganze Mensch.
Diese besondere Form von Physiotherapie ist mit Sicherheit ein Hilfsangebot für viele betroffene Menschen. Müsste sich nicht auch die Medizin für Ihre Techniken interessieren?
Ich darf darauf hinweisen, dass sich Dr. h.c. Susanne Codoni, eine Logopädin mit internationalem Ruf, mit meinen Studien beschäftigt hat und mein Buch in ihrem interdisziplinären Studiengang an der Universität Basel als Lehrmittel verwendet. Bestimmte Aktivierungsübungen der inneren Muskulatur können auch bei Gesichtsverletzungen und Störungen im Lippen- und Gaumenbereich hilfreich eingesetzt werden. Frau Codoni bringt deutlich zum Ausdruck, dass Schluckstörungen, andauernde Heiserkeit und andere Erscheinungen des Globussyndroms nicht nur lokal behandelt werden sollten. Es muss Aufbauarbeit geleistet werden.
Das klingt nach viel Aufwand und zeitlicher Beanspruchung.
Durchaus nicht, sondern ganz einfache Übungen können eine Dehnung der Muskeln herbeiführen – von Muskeln, deren Existenz einem meist gar nicht bewusst ist. Selbst eine Dehnung, die nicht aktiv, sondern lediglich über die Imagination wirksam wird, teilt sich dem ganzen Körper mit und stärkt sogar das Selbstbewusstsein.
Können Sie dies mit einem Beispiel verdeutlichen?
Konzentrieren wir uns auf die unglaublich differenzierten kleinen Muskeln der Zunge, die mit der gesamten Körperstruktur in Verbindung stehen. Meist nehmen wir unsere Zunge nur als Trägerin der geschmacksnerven wahr. Ist ihre Muskulatur verspannt, zieht sie sich nach hinten, der Kehlkopf dagegen wird nach oben gezogen. Dadurch entsteht eine Verengung und in der Folge das Globus- oder Klossgefühl im Halsareal. Machen Sie folgende Übung: Legen Sie Ihre Zungenspitze an den vorderen Teil Ihres harten Gaumens. Zeichnen Sie mit einer Hand nacheinander eine stehende, eine liegende und eine raumgreifende „8“. Für jede dieser dreidimensionalen Bewegungsabläufe nehmen Sie sich zehn Sekunden Zeit.
Ist es beispielsweise auf diese Art möglich, die Zungenmuskulatur und ebenso andere Muskelpartien zu aktivieren und sich so Entspannung zu verschaffen?
Ja, die eingeschlafenen feinen, kleinen Muskeln beginnen, wieder lebendig zu werden. Auch dann, wenn nur mit der Vorstellung eine gewisse Mobilität in Gang gesetzt wird. Fitnesstraining ist ja gross im Trend. Das ist auch gut so, aber es wird dabei lediglich die äussere Muskulatur aktiviert. Mein Anliegen ist das Training der inneren, kaum je beachteten und dennoch sehr wichtigen und stark verzweigten Muskulatur.
Das Bleistift-Training
Legen Sie einen Bleistift zwischen die Lippen: Nicht mit den Zähnen, sondern wirklich nur mit den Lippen und der Zungenspitze festhalten! Nacken gerade halten, das Kinn nach unten ziehen. Sie atmen ein und aus und jeweils beim Ausatmen heben Sie den Bleistift etwas an. Achten Sie darauf, dass sich der obere Teil Ihres Brustkorbes dehnt.
Offenbar bestehen zwischen der Bewegungsfähigkeit unserer muskulären „Feinmechanik“ und unserer Psyche gewisse Wechselwirkungen?
Eindeutig, und zwar sind diese Verbindungen sehr eng vernetzt. Bei Stress oder traumatischen Erlebnissen verengt sich nicht allein der Hals- und Schulterbereich, es verspannt sich ebenso die Bauchdecke und der Körper gerät aus der Balance. Oft habe ich erlebt, dass es Menschen, die ihren Emotionen nicht in die Augen schauen wollen, dank einer Reihe von Übungen gelungen ist, sich ihren Gefühlen zu stellen und ein gesundes Gleichgewicht zwischen Spannung und Entspannung zu finden. Ich freue mich jedes Mal, wenn jemand erleichtert sagt: „Wie gut – ich spüre, dass ich Abstand gewonnen habe zu mir und meinen Problemen!“ Diese Einstellung ist im Grunde genommen die erste Station auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Leben. Ich möchte Menschen dazu ermutigen! „Die Muskulatur rund um unseren Kehlkopf ist sehr komplex.“
Was bringt für sie als Gesangspädagogin ein derartiges Trainingsprogramm?
Auch wenn man nicht singen oder sich mit Gesang beschäftigen möchte: Die Stimme ist ein Kommunikationsmittel, mit dem man Menschen berührt oder eben nicht berühren kann. Wer fähig ist, die innere Muskulatur bis hin zum Beckenboden und zu den Fusssohlen zu beleben und aufzubauen, kann überdies seine eigene, innere Stimme und sein Potenzial entdecken.
Durchatmen befreit
Bis zu ihrem zweiten oder dritten Lebensmonat atmen Babys ganz gleichmässig ein und aus. Sobald jedoch Ängste und Unsicherheiten auftauchen, zieht sich die Muskulatur zusammen. Die Konditionierung des Lebens, die uns vorschreibt, wie wir uns zu verhalten haben, wirkt auf uns ein und unsere Atmung wird gepresst. Wir atmen nur noch über den unteren Atemweg und weniger als zehn Prozent der eingeatmeten Luft erreichen die Nasenhöhle. Findet ein Erwachsener zurück zur vollen Atmung, fühlt er sich nicht nur besser, sondern gewinnt an Selbstvertrauen.
Sie möchten mehr zum Globussyndrom erfahren? Dann besuchen Sie meine Website unter www.globussyndrom.ch
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